8thcourtyard

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Gebot 10: Lege dir eine dicke Haut zu… nein – noch dicker.

In 8th sucht die Liebe on Juni 11, 2011 at 2:13 pm

Ich weiss… ich habe es mal wieder schleifen lassen, aber mein Kopf war leer. Und das für Monate. Dann änderte sich alles schlagartig. Ich dachte wieder schreiben zu müssen, aber scheinbar hatte alles sein Ziel verfehlt und das Bombardement war bereits eröffnet.

Als Schreiberling hat man eine Beziehung zu seinen Texten, als Tänzer im besten Fall eine zu seinem Körper und als Mensch im besten, aber dann leider erneut im nur seltenen Falle eine zu sich.

Und ich bin nun alles drei – Schreiber, Tänzer, Mensch – und in jeglicher Beziehung Single.

Und in jeglicher Beziehung zu dünnhäutig.

Als Schreiber glaube ich, schaffe ich es am ehesten eine Beziehung zu dem zu haben, was ich da zu Papier bringe. Immerhin ist es mein Gedankengut. Meine Ideen. Mein Innenleben.

Als Tänzer gestaltet es sich schon viel schwieriger, da ich ja meistens von einem Choreographen dirigiert werde. Also läge es an mir eine Transfusion zu schaffen und seine Bewegungen zu den meinigen zu machen… und auch hier möchte ich ehrlich sein und zugeben, dass dies selten gelingt. Meist sind die Probenzeiten zu kurz oder zu lang oder zu undefiniert oder zu unüberlegt. Es bleibt kein Raum für Interpretationen, kein Raum für Spiel, kein Raum für Wahrheiten.

Als Mensch durchlebe ich jeden Tag eine Mischform. Zum einen bin ich. Ich bin mein Gedankengut, mein Charakter mit all seinen Facetten, mein Innenleben – das bin ich für mich. Aber ich kann es in den seltensten Fällen auch für andere und vor anderen sein.

Wieso?

Ich denke, dass mir hier der Tänzer im Weg steht. Auf der Bühne versuchen wir immer gut auszusehen. Und selbst wenn es hässlich ist, was wir machen, so ist es dann zum Schluss doch irgendwie wieder schön. Makellos. In den Theatern werden unsere Gesichter mit unzähligen Schichten an Make up zugekleistert und das Licht erledigt den Rest… im schlimmsten Fall: Black. Wir geben uns nicht die Blösse. Wir stehen da oben und werden angesehen, geniessen die Blicke der anderen und fühlen uns sicher. Wir haben geprobt, inszeniert, ausprobiert… hinter uns stehen die Technik, die Requisit e, der Inspizient, die Maske… alle sorgen dafür uns perfekt dastehen zu lassen… wir fühlen uns sicher und können so für einen Moment wir sein.

Im Alltag sind wir hingegen nackt. Keine Maske, kein Kostüm, die in der Gasse warten würde um schnell nachzuschminken, wenn das Make Up abblättert, kein Lichttechniker, der zur Not alles runterfahren könnte, wenn alles schief geht, kein Ersatz… niemand. Nur wir.

Und so ist es nicht einfach echt zu sein, wenn man weiss, dass einem das Sicherheitsnetz fehlt. Man ist sich des harten möglichen Aufpralles bewusst und diese Gewissheit lässt uns letztendlich komplett erstarren.

Aber wie würden wir uns denn verhalten, wenn alles eine Sicherheitsnetz hätte, wenn wir nie fallen könnten und nie aufprallen würden. Wieso werfen wir uns nicht heulend auf den Sarg eines Menschen, den wir verloren haben, hämmern mit den Fäusten gegen diesen Holzkasten, wieso zerreissen wir nicht etwas, wenn in uns alles zerrissen ist?

Wieso schreien wir nicht einfach mitten auf der Strasse, wenn ich uns alles schreit?

Grotesker Weise wollen wir es doch alle… Auf den Bühnen der Staatsopern werden große Gefühle zelebriert, Menschen sterben sich die Seele aus dem Leib kreischend über Stunden vor ausverkauften Publikumsräumen. Auf den Kinoleinwänden spielen sich Szenarien ab, die uns an große Gefühle erinnern sollen. Titanic, selbst Avatar… Hauptthema: Liebe. Die großen Gefühle. Schmerz. Also können wir es nicht abstreiten… wir wollen es. Wir wollen leiden, wir wollen lieben, wir wollen geliebt werden, wir wollen spüren… vor allem endlich wieder uns.

Wieso tun wir es dann nicht?

Wieso werfen wir uns nicht mitten in der Ubahn auf den Boden und brüllen vor Schmerz, wenn es so wehtut, wieso stehen wir nicht unter einem Balkon und brüllen Liebeslieder… wieso nicht?

Vielleicht haben wir es verlernt… vielleicht wurde es uns von der Gesellschaft aberzogen und die anerzogene Scham siegte auf den letzten entscheidenden Metern… „Es gehört sich nicht“ – als wäre das Motto unserer Gesellschaft um jeden Preis nicht aufzufallen… Vielleicht sind wir einfach nur kleine Hosenscheisser, denn mehr als unser Gesicht zu verlieren gilt es nicht – weder in der Liebe, noch in der Freundschaft, noch in der Realität…

Wäre es denn so schlimm echt zu sein und dabei sein Gesicht zu riskieren?

Ich habe es bisher nur einmal versucht – und es tat nicht weh… im Gegenteil – es fühlte sich besser an als die Maske, die in der Gasse wartet.